Seen kommen und gehen

Seen sind nicht beständig. Wenn es ihnen an einem Ort nicht gefällt, erheben sie sich, fliegen durch die Luft und suchen sich einen anderen Ort. Wenn man sie beim Namen ruft, lassen sie sich nieder. Das kann unangenehme Folgen haben. Passen Sie also auf, was Sie sagen, wenn Sie in diesem Sommer unter einer dunklen Wolke stehen!

Lettische Sagen über Seen (aus: P. Šmits, Latviešu pasakas un teikas; aus dem Lettischen von Nicole Nau)

Babītes ezers

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Foto: lifeland auf fotoblog.lv

Dort, wo heute der Sumpf von Līgotne ist (im Kreis Dobele beim Gut Potkaisen), soll früher einmal der Babitsee drei Tage lang gelegen haben. Der See war gelandet, als er sich nicht mehr in der Luft hatte halten können. Aber als niemand kam, der seinen Namen erraten hätte, hat er sich wieder in die Luft erhoben und sei nach Livland geflogen und dann dort gelandet, wo er noch bis zum heutigen Tag ist.

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Dort, wo heute der Babitsee ist, gab es früher Äcker und Häuser. Einmal hörten die Menschen ein Brausen in der Luft. Zu der Zeit war eine Frau mit ihrem Kind auf dem Feld. Das Kind rief:
„Babit, Babit!“ Damit hatte das Kind den Namen des kommenden Sees erraten und sofort ergoss sich ein gewaltiger Wasserschwall mit lautem Krachen zu Boden, und so ist der Babitsee entstanden.

Liezeres ezers

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An der Stelle, wo sich heute der Liezere-See befindet, soll früher ein fruchtbares Tal gewesen sein, in dem wohlhabende Menschen gelebt haben. Eines Nachmittags im Sommer, als die Felder schon wogten in voller Frucht, kam von Südwesten her ein eine dunkle Wolke, mit starkem Tosen, und hielt über den friedlichen Leuten an. Als die ihr Unglück kommen sahen, fingen sie an zu lamentieren und wussten nicht, was tun. Eine Frau rief aus: „Der Liezere-See kommt!“ Der See ließ sich sogleich in dem Tal nieder und bedeckte alles dort mit Wasser: Häuser, Felder, alle Bewohner. Dieser See soll aus der südlichen Ecke der Gemeinde Mēdzūla gekommen sein und bei einem großen Regen in Richtung Liezere gegangen sein. Dort, wo er sich früher befand, hinterließ er einen großen Sumpf, der heute Lietava-Sumpf heißt. In dem Sumpf gibt es mehrere Wasserlöcher, die davon zeugen, dass dort früher ein See gewesen ist.

Usmas ezers

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Foto: latvia.travel.lv

Einst regnete es einen Sommer lang ohne Unterlass, Tag für Tag. Die Menschen wussten sich nicht mehr zu retten und beteten zu Gott, dass er ihnen doch wenigstens einmal einen schönen Tag schenke. Kurz darauf wurde das Wetter auch wirklich sehr schön, so schön wie noch nie zuvor. Aber dann kam aus dem Wald ein Jüngling auf einem weißen Pferd geritten, der rief den Leuten zu: „Jetzt habt ihr euch genug erfreut, jetzt aber macht, dass ihr wegkommt, sonst müsst ihr ertrinken!“ Die Leute wussten nicht, was tun. Doch der Mann rief wieder: „Macht euch fort, der Usma kommt!“ Da fuhren und ritten und liefen die Menschen wie die Hasen über die Felder weg. Als alles still und leer war, kam eine große schwarze Wolke angeflogen, die fing an so fürchterlich zu regnen, dass an diesem Ort ein See entstand, und so ist der Usma-See entstanden.

Die Leute sagen, dass auch heute noch manchmal so viel Wasser zusammenregnet, dass überall in Lettland neue Seen entstehen.

Melnezers

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Foto: Juris Seņņikovs auf panoramio.com

Dort, wo heute der See Melnezers in Skaistkalne ist, soll früher ein großer, dichter Wald gewesen sein. Mitten in dem Wald soll ein großer, großer Stein gelegen haben. Eines schönen Tages haben Arbeiter dort Holz gefällt. Unter ihnen war auch ein Bursche mit Namen Melnezers. Um Mitternacht machten sie neben dem Stein ein Feuer und legten sich schlafen. Doch bald wurden sie von einem Wasserstrahl geweckt, der aus der Erde quoll und am Stein entlang rann. Als die Arbeiter aufwachten, waren sie schon ganz nass. Sie wollten fortrennen, doch ihre Füße verstrickten sich in Gras und Zweigen. Der kleine Quell hatte sich bereits zu einem ordentlichen See entwickelt. In ihrer Furcht versuchten die Arbeiter fortzukommen, vermochten es aber nicht. Mit großer Anstrengung gelang es ihnen schließlich, an Land zu schwimmen, nur Melnezers blieb zurück. Er soll noch lange um Hilfe gerufen haben, aber umsonst: niemand konnte ihn retten. Der Bursche ertrank. Die Arbeiter benannten den neuen See nach ihm, und so heißt er noch heute. Wenn heute jemand zu später Stunde am Melnezers entlang geht, dann führt der ertrunkene Bursche ihn in die Irre und versucht ihn in den See zu locken. Wenn es ihm gelingt, einen anderen an seine Stelle zu locken, dann kommt er frei und der andere muss für ihn dort bleiben, bis er wiederum jemanden findet, der ihn ersetzt.

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