Sterngewebe auf dem Rücken
meines Rössleins macht,
dass ich ohne Angst vor Wölfen
reite durch die Nacht.
In Riga steht an der Haltestelle, wo der Bus zum Flughafen abfährt, eine große Stellwand mit einer kleinen Daina. Die kann man, während man auf den Bus wartet, auswendig lernen, auf der Fahrt zum Flughafen anfangen zu übersetzen, und bis zum nächsten Morgen liegen schon vier Versionen vor. Wie immer ist keine ideal. Wie immer machen die deutschen Artikel Probleme, die wörtliche Übersetzung von bija und nebija durch hatte und hatte nicht ergibt einen ganz anderen (deutsch-harten) Klang, und das lettische kumeļš hat sowieso keine Entsprechung im Deutschen. Es ist ein emotionsgeladenes und folkloristisches Wort für ein junges Pferd. Manchmal kann man es mit Füllen übersetzen, aber dabei denke ich doch eher an Fohlen und damit an ein Pferdekind, nicht an das Pferd, auf dem ich reite und das mein treuer Gefährte ist. Ich nehme gerne Rösslein dafür, aber das gefällt sicher nicht jedem. Der trabende Rhythmus (1-2, 1-2, 1-2-3) ist auch etwas ungewohnt für ein deutsches Volkslied. Ich habe ihn hier ein bisschen verändert (aber er trabt noch!) und einen Reim eingeschmuggelt. Dainas kommen normalerweise ohne Reim aus.

Oben: Zettel mit der Daina im Dainaschrank. Metadaten (auf Lettisch) hier.
Eine etwas schwermütige vertonte Fassung ist hier:
Wörtliche Übersetzung
Es hatte mein Pferdchen
eine Sternendecke an/auf dem Rücken
Ich hatte keine Angst vorm Wolf
noch vor des Herbstes dunkler Nacht
Und noch ein paar Versuche:
Modern, fast prosaisch, und ziemlich parallel
Auf dem Rücken trug mein Pferd
Überwurf aus Sternenlicht.
Ich hatte keine Angst vorm Wolf,
noch der Dunkelheit der Nacht.
Hier fehlt der Herbst, und hatte hat eine Silbe zu viel, aber hatt‘ passt stilistisch nicht. Man könnte mich rauslassen und das Pferd noch mehr personifizieren, also einfach Hatte keine Angst…
Nachahmend, lose
hatte doch mein treues ross
eine sternendecke an
ward nicht bange mir vorm wolf
in der herbstnacht dunkelheit.
Frei
Auf dem Rücken meines Rössleins
glänzte eine Sternendecke.
Keine Angst hatt‘ ich vor Wölfen
als ich durch die Herbstnacht ritt.
Manchmal ist es auch einfach gut, wenn der Bus kommt, sonst geht das ewig so weiter.
